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Die Energieträger der Zukunft

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Das Problem ist gar nicht so sehr, wo wir in Zukunft unsere Energie herkriegen – die Sonne liefert genug davon. Leider allerdings nur in sehr vergänglicher Form und zudem unregelmäßig, und deswegen ist die zentrale Frage für die Energieversorgung des nächsten Jahrhunderts: In welcher Form speichern und transportieren wir Energie?

Heute haben wir verschiedene Energieträger für verschiedene Zwecke. Elektrischer Strom zum Beispiel ist extrem nützlich, aber er braucht entweder ein bestehendes Leitungsnetz oder extrem Leistungsstarke Batterien, um die für ernsthafte Anwendungen nötigen Strommengen zur Verfügung zu stellen. Besitzer von mobilen elektronischen Geräten können ein Lied davon singen, dass heutige Batterien bei weitem noch nicht stark genug für sowas sind.

Derlei Fragestellungen sind natürlich das Ressort der Chemie, und die Lindauer Tagung hat sich ja auf die Fahnen geschrieben, derartige Zukunftsprobleme zu thematisieren, und so war gestern eine Podiumsdiskussion über chemische Energiespeicherung angesetzt – mit vielversprechender Besetzung. Angetreten sind die Katalytiker Ertl, Grubbs und Schrock, dazu Hartmut Michel, und Astrid Gräslund unter der Moderation von Wolfgang Lubitz, dem Direktor des MPI für Bioanorganische Chemie.

Das meiste zum Thema hat man natürlich auch schon irgendwann mal gehört oder gelesen. Aber es auf Podiumsdiskussionen entstehen ja auch nur selten bahnbrechende neue Ideen. Der Sinn der Sache ist vielmehr, das Publikum auf den aktuellen Stand zu bringen, und ein paar neue Perspektiven aufzuzeigen. Das ist insgesamt ganz gut gelungen.

Zum Beispiel haben wir gelernt, dass Körperfett, auf Volumen und Masse bezogen, einer der besten Energiespeicher ist, etwa auf Augenhöhe mit Diesel oder Kerosin. Das ist schön, hilft uns aber in der Energiedebatte nicht weiter, wenn man den Verbrennungsmotor nicht grundlegend umbauen will. Stattdessen zurrt das Panel erstmal die Basics fest: Chemisch gesehen bekommen wir energiereiche Stoffe, indem wir reduzierte Verbindungen erzeugen (Michel), und dafür braucht man Katalysatoren (Ertl). Außerdem müssen die Batterien besser werden, denn auch in Zukunft wird Strom ein wichtiger Teil des Energiemixes sein.

Da wurde es bei der Frage nach dem Lithium auch gleich interessant. Das Element ist für heutige Hochleistungsbatterien ziemlich unverzichtbar, weltweit gibt es aber nur eine wirklich ergiebige Lagerstätte. Ob der Lithium-Mangel nicht die Suche nach noch besseren Batterien torpedieren würde? Das hat Grubbs zu meiner Überraschung rundheraus zurückgewiesen, er meint, man werde mit Sicherheit leichter verfügbare Ersatzstoffe finden. Die Geschichte der Technik stützt seinen Optimismus zumindest teilweise: In vielen Bereichen gibt es schon heute aussichtsreiche Forschungen, kritische Elemente durch häufig vorkommende Materialien zu ersetzen. Auch Michel schließt sich dem an. Das eigentlich gefährdete Element, wirft Schrock ein, ist Phosphor. Einen schönen tabellarischen Überblick über zukünftige Versorgungsengpässe gibt die Risk List des British Geological Survey.

Beim Thema Kohlendioxid-Reduzierung (bei dem mir nicht ganz klar war, was das mit dem Thema zu tun hat) kommt ein weiterer oft übersehener Punkt zur Sprache: Schrock weist zu Recht darauf hin, dass alle diese Techniken selbst immensen Energieeinsatz erfordern, und er hat Zweifel, ob man den kurzfristig mit erneuerbaren Energien stemmen kann. Die hab ich auch. In der Summe ist es deswegen fraglich, ob eine technische Kohlendioxid-Reduktion überhaupt funktioniert.

Langfristig wird es sowieso auf Solar hinauslaufen, einfach weil da die meiste und zuverlässigste Energie zu haben ist. Allerdings scheinen weder Biomasse noch künstliche Fotosynthese aussichtsreich zu sein. Letztere ist extrem ineffizient (weil es das natürliche Vorbild auch ist), und Biokraftstoffe hassen eh alle Panel-Teilnehmer, aus den bekannten Gründen. Außerdem sind sich die Diskutanten einig, dass Energie insgesamt weitaus teurer werden wird.

Die geneigte Leserin wird schon gemerkt haben, dass ein Thema verdächtig stiefmütterlich behandelt wird: Atomkraft. Tja, das kam tatsächlich nicht dran, außer in einer Publikumsfrage am Schluss. Kurios ist das allemal. So richtig was dazu sagen wollte dann auch niemand. Astrid Gräslund hat schließlich ein bisschen von den Erfahrungen in Schweden erzählt, wo die Stimmung mal in diese, mal jene Richtung tendierte. Ich entnehme dem mal, dass sie durchaus an eine Zukunft der Atomkraft glaubt, sobald sich der Wind der öffentlichen Meinung gedreht hat.


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